Hartmann, Schoetensack und der Homo Heidelbergensis

Umstritten, ob er einer der ersten Einwohner oder einer der ersten Touristen war: der legendäre Homo Heidelbergensis, am 21. Oktober 1907 von dem Leimener Tagelöhner Daniel Hartmann (siehe Bild links) beim Sandschippen in einer Sandgrube der Gemeinde Mauer gefunden und 1908 von Otto Schoetensack korrekt als „präneandertaloid“ beschrieben (Wikipedia). Er soll mit seinem Fund aufgeregt in das Gasthause Hochschwender gelaufen sein und war sich sicher: „Heit haw ich de Adam gefunne!“

Daniel Hartmann: Heit haw ich de Adam gefunne

Obwohl seine Lebensumstände nicht einfach und die Arbeiten in der Sandgrube hart waren, wird Daniel Hartmann von seinen Zeitgenossen als fröhlicher Mensch beschrieben. Er hat bis ins Alter von 76 Jahren gearbeitet und wollte immer 100 Jahre alt werden. Das hätte er auch beinahe geschafft: Am 21. Januar 1952 starb er mit 98 Jahren. 

Sein Fund hat ihn nicht reich, aber bekannt, vielleicht sogar berühmt gemacht. Zeitlebens wurde er von Urmenschen-Interessierten die nach Mauer kamen besucht. Der Grabstein seines Ehrengrabes befindet sich heute noch auf dem Friedhof von Mauer (Quelle: Homo heidelbergensis von Mauer e.V.)

Unumstritten

Unumstritten ist dagegen seine zeitliche Datierung. Der prominente PräHeidelberger lebte, liebte und jagte vor rund 600.000 Jahren im Mittelpleistozän, als es hierzulande nicht nur ziemlich kalt, sondern auch ziemlich gefährlich war:

Unwirtliche Gegend

Die Landschaft in der er lebte, unterschied sich deutlich von der heutigen Vegetation. In der eiszeitlichen Mammutsteppe dominierten Steppen- und Tundrapflanzen, es gab kaum Bäume, dafür viele Wollhaarmammuts, Wollnashörner, Moschusochsen, Bären, Rentiere, Hirsche, Saiga-Antilopen, Pferde und  Steppenbisons, die sich von krautigen Blütenpflanzen ernährten.

Er hatte also durchaus was zu beissen, weswegen von ihm auch passenderweise nur sein Unterkiefer gefunden wurde. Seine Einordnung in den menschlichen Stammbaum ist umstritten, kein Wunder bei dem Alter, postuliert wurde unter anderem, dass Homo heidelbergensis lediglich eine europäische Unterart des Homo erectus darstellt. Eine andere Sicht sieht die Rolle des H. heidelbergensis als Nachfolger von Homo erectus und direkter Vorfahre von Homo neanderthalensis und Homo sapiens deutlich zentraler, während die Linie auch vom H. erectus, über H. heidelbergensis bei H. neanderthalensis geendet haben könnte, während sich die spätere H. sapiens Art bereits früher artlich abspalteten.“

Steckbrief des Homo Heidelbergensis

Der Homo Heidelbergensis war ca. 1,60 bis 1,70 cm gross, wog 50-60 Kilo, war vorwiegend Vegetarier und sein Gehirnvolumen entsprach etwa dem des Homo Sapiens. Seine Art lebte von 600.000 bis 200.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich und England.

Professor Schoetensack

Dass der Sandarbeiter Daniel Hartmann den Unterkiefer so umsichtig behandelte, lag an  dem Heidelberger Privatdozenten für menschliche Frühgeschichte Otto Karl Friedrich Schoetensack, der die Sandgruben um Mauer regelmässig aufsuchte und die Arbeiter für potentielle Fossilienfunde sensibilisierte.

Viele Jahre lang untersuchte Schoetensack akribisch die zahlreichen Sandgruben, die voll von uralten Fossilien waren. Deshalb hoffte er , irgendwann auch ein vorzeitliches menschliche Skelett zu finden.

Und dann der sensationelle Fund, den er in seinem Hauptwerk – Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen. ausführlich beschrieb und das bis heute als vorbildliche Fundbeschreibung angesehen wird.

Transdisziplinäre Forschungsarbeit

Nach Abtragung einer umfangreichen Sedimentschicht über der linken Kieferhälfte und der Zusammenfügung des in zwei Hälften zerbrochenen Fossils am Stratigraphisch-Paläontologischen Institut in Heidelberg, ging Otto Schoetensack an die wissenschaftliche Beschreibung des Unterkiefers. Tatkräftig unterstützt wurde er dabei von dem Anatomen Hermann Klaatsch, der als vergleichender Anatom bereits große Erfahrung mit menschlichen Fossilfunden besaß, sowie dem Anatomen Gottlieb Port, der die für die damalige Zeit revolutionäre Untersuchung der Zähne des „Homo heidelbergensis mittels Röntgenstrahlen durchführte (Quelle: Homo heidelbergensis von Mauer e.V.).

Die Schoetensacks lebten in ihrer Heidelberger Zeit in der Blumenstraße 1 in einem Haus, das sie erworben hatten. Otto Schoetensack zur Ehre, wurde an diesem Haus eine bronzene Gedenktafel angebracht. Reminiszenz an drei Heidelberger, von denen wir was lernen können …

Bilder: Wikipedia, Bild links

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