Johannes Itten, Farblehre und Didaktik im frühen Bauhaus #004
Die erste Begegnung kam durch ein Bild seiner Farbenlehre zustande, ein Farbkreis für die Bildung von Farbsysnthesen und Farbkontrasten, der sich mit den zentralen Aspekte der Farben in Hinsicht auf ihre Wirkung beschäftigte. Das Aquarell erinnerte mich an Goethes Farbenlehre und erregte so meine Aufmerksamkeit.
Begegnung Nummer zwei war ein Zitat von ihm, das mir wegen seiner Musikalität auffiel: „Von Kontrast spricht man, wenn zwischen zwei zu vergleichenden Farbwirkungen deutliche Unterschiede oder Intervalle festzustellen sind.“ Apropos Farbenlehre, Wikipedia:
„Bereits Goethe beschäftigte sich im Austausch mit Malern und Philosophen intensiv mit dem Phänomen Farbe, wobei er von der Einheit der Natur ausging und im gesuchten Widerspruch zu Newton stand. Eine der Theorien zur Einteilung von Menschen in Farbtypen geht auf den Schweizer Maler, Graphiker und Kunstpädagogen Johannes Itten (1928) zurück. Ittens Studenten sollten für seine Forschungen zum Zusammenhang von Form und Farbe ihre individuelle Vorstellung von harmonischen Farben malen. Itten ordnete die jeweiligen Farbakkorde den entsprechenden Studenten zu, worauf er die unterschiedlichen Auswirkungen von Farben auf die Gesichtszüge von Menschen untersuchte.“
Meister und stellvertretender Direktor am Bauhaus
Die Begegnung der dritten Art war schliesslich deutlich tiefer und machte mich mit seiner didaktischen und künstlerischen Arbeit für das (frühe) Bauhau vertraut, nachzulesen in dem empfehlenswerten Buch aus dem Taschen-Verlag.
Johannes Itten (ein Schüler von Adolf Hölzel) war von 1919 bis 1923 Meister und stellvertretender Direktor am Bauhaus, wo er seiner eigentliche Berufung als Kunsttheoretiker und Kunsterzieher nachging. Er entwickelte den richtungsweisenden Vorkurs (Johannes Itten, Mein Vorkurs am Bauhaus. Gestaltungs- und Formenlehre, Ravensburg 1963), wobei er seine Schüler zu eigenem subjektiven Empfinden und kreativem Gestalten anhielt. Seine Didaktik und (polarisierende) Persönlichkeit machten Johannes Itten zu einer zentralen Figur am frühen Bauhaus. Nach Differenzen mit Gropius verließ er Weimar und gründete in Berlin die „Itten-Schule“.
1961 fasst Itten seine Erfahrungen und Erkenntnisse in dem Buch „Kunst der Farbe“ zusammen, wo er sein künstlerisches Schaffen und seine pädagogische Arbeit bilanzierte (Wikipedia):
„Geometrische und rhythmische Formen, Probleme der Proportionen und der expressiven Bildkomposition wurden durchgearbeitet. Neu waren die Aufgaben mit Texturen und das Ausarbeiten der subjektiven Formen. Neben der Lehre von den polaren Kontrasten brachten die Übungen zur Lockerung und Konzentration der Schüler erstaunliche Erfolge. Der schöpferische Automatismus wurde von mir als einer der wichtigsten Faktoren künstlerischen Schaffens erkannt. Ich selbst arbeitete an geometrisch-abstrakten Bildern, die auf sorgfältigen Bildkonstruktionen beruhten.“
Laut HeimHelden griff Ittner „eine Theorie von seinem Lehrer Adolf Hölzel auf, erweiterte diese und schrieb sie in dem Werk „Sieben Farbkontraste“ nieder, welche bis heute an unterschiedlichen Kunst- und Kunsthandwerkhochschulen gelehrt wird. Die sieben Farbkontraste bestehen aus:
- Hell-Dunkel-Kontrast
- Kalt-Warm-Kontrast
- Qualitätskontrast
- Quantitätskontrast
- Komplementärkontrast
- Simultankontrast
- Sukzessivkontrast“
In dem Farbkreis von Johannes Itten findet man die Primär, Sekundär- und Tertiärfarben, welche aus allen drei Grundfarben gemischt werden. Zwei Komplementärfarben liegen im Farbkreis diametral gegenüber. Rot und Grün, Gelb und Blau sind komplementär.
Sein gleichzeitig strenger und verrückter, ebenso freakiger wie esoterischer Mindset und Lebensstil überforderte und überfordert bis heute. Abschliesssend noch Küppers Kritik an Ittens Farbenlehre und ein Zitat von der lebendigen, umfangreichen Webseite 100 Jahre Bauhaus:
„Itten, der von manchen Studenten und Kollegen am Bauhaus aufgrund seiner exzentrischen Kleidung und seiner Befolgung des Mazdaznan-Kultes belächelt wurde, einer auch in Europa agierenden amerikanischen Sekte mit christlichen, zarathustrischen und hinduistischen Elementen, hat dennoch die pädagogische Vermittlung gestalterischer Grundlagen bis heute geprägt.“